Mondmagie

Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte
erschienen immer wieder Bücher über Magie oder »Hexenkunst«.

Manche stellten die magische Traditionals kuriose Reminiszenz (Rückblick) der Vergangenheit dar und präsentierten eine Art »Kochbuchmagie«, indem sie recht einseitig den Aspekt des Zauberwirkens hervorhoben (wie bekomme ich einen Liebhaber, wie kann ich einen Feind ausschalten), gingen aber an der Schönheit und Würde der Erdreligion vorbei.

Andere betrachteten die Kunst der Magie als Zeremonienschauspiel, bei dem es hauptsächlich darauf ankam, die richtigen rituellen Gegenstände zu besitzen und der Erwerb von Roben und blitzenden Kelchen alle Ersparnisse verschlang, so, als ob die magische Kraft von der Qualität der benötigten Objekte abhinge.

Solche Vorstellungen verfehlten völlig die ursprüngliche Bescheidenheit und Einfachheit der magischen Tradition, die sie zu einer Religion für das Landvolk und naturverbundene Menschen machte.

Es gab auch Bücher, die die Magie zu einer versteinerten, hierarchistischen Machtstruktur stilisierten, in der es »Adepten« oder Eingeweihte gab, die den »dritten Grad« oder andere höhere Weihen erreicht hatten, und so hoch über dem gewöhnlichen Volk thronten, daß letzteres es nicht einmal wert war, ihnen die Schuhe zu binden.

Den Verfassern dieser Bücher war entgangen, daß die Gleichheit aller Menschen von jeher einer der wichtigsten Grundsätze der magischen Tradition war.

Schließlich gab es noch eine vierte Kategorie von Magiebüchern, in denen die magische Tradition so pervertiert dargestellt wurde, daß die tragende Kraft der Kunst der Weisen, nämlich das weibliche Prinzip des Universums, in ihnen gar nicht mehr in Erscheinung trat.

Diese Autoren offenbarten in ihren Werken ihren Sexismus und ihre Furcht vordem Weiblichen, ganz gleich, wie gelehrt ihre Ausführungen erscheinen mochten.

Dadurch, daß man diese sanfte, lebensbejahende Religion ihres Herzstückes beraubt hatte, verlor sie ihre lebendige Kraft in der Vorstellungswelt der Menschen. Ich sprach bisher von den »Freunden« der magischen Tradition. Nun zu ihren Feinden!

Dazu müssen wir bis zur Erfindung der Buchdruckerkunst zurückgehen.

Als Gutenberg im Jahre 1456 das erste Buch druckte, war es die Bibel!

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich in unserer westlichen Kultur eine gläubige Ehrfurcht vor allem Gedruckten erhalten, die das gedruckte Wort als Evangelium betrachtet.

Wenn etwas schwarz auf weiß zu lesen ist, muß es wohl richtig sein.

Diese historische Erfindung wurde unmittelbar nach ihrer Entdeckung zur Diskriminierung von Frauen eingesetzt.

Im Jahre 1485 veröffentlichte James Sprenger das Malleus Maleficarum.

Dieses Buch fand weite Verbreitung, und sein Inhalt, in dem sich die schwachsinnige, sadistische Vorstellungswelt das männlichen kollektiven Unbewußten in Form der unterdrückten Sexualität zweier Jesuitenpriester spiegelte, wurde in weiten Kreisen für bare Münze genommen. Es führte zur Ermordung von elf Millionen Frauen, Männern und Kindern. Es war ein unheilvolles Buch, das in unserer heutigen Zeit gut in die Reihe pornographischer Schriften passen würde, denn die Folterungen, die an den Frauen unter dem Vorwand der Heiligkeit — begangen wurden, waren oft sexueller Natur.

Was für ein Geruch muß über einer Stadt geschwelt haben, in der an einem Tag vierhundert Frauen auf einmal verbrannt wurden! Warum hat ein Machwerk, in dem die Ermordung von Frauen propagiert wird, noch heute einen Platz als religiöses Dokument!

Kramer und Sprenger (die Verfasser des Hexenhammers) werden sich im Grabe umdrehen, wenn Frauen etwas über den Großen Ritus, ein sexuelles Ritual, erfahren, und sie werden zweifellos denken, daß sie recht hatten, alle Frauen Hexen zu nennen.

Die meisten Frauen sträuben sich gegen die Vorstellung, eine Hexe zu sein, denn es ist zu gefährlich, das zu glauben. Im Unterbewußtsein der Frauen ist diese Vorstellung mit der panischen Angst vor absoluter Vernichtung gekoppelt.

Aber wäre nicht unserer ganzen Spezies besser gedient, wenn wir eine lebensbejahende Religion hätten, lebensorientierte Rituale praktizierten und uns alle als Kinder der Großen Göttin betrachteten!

Würden wir, eingebettet in diese göttliche Mutterliebe, nicht glücklichere Träume, Gesellschaften, Beziehungen und Lebensweisen kreieren!

Ist das männliche Prinzip des Universums ohne die ausgleichende und beschützende Kraft der Göttin nicht etwas Totes? Die alten Religionen, die vor nicht allzu langer Zeit (5000 Jahre ist hoch gegriffen) überall praktiziert wurden, waren wesentlich förderlicher für das Leben auf diesem Planeten. Die Menschen waren mehr mit dem Leben als mit Krieg beschäftigt. Unsere heutigen, todes- und zerstörungsorientierten Gesellschaften sind ein direktes Resultat eines ausschließlich männlichen Wertesystems (das sich oft »Fortschritt« nennt) und die Folge einer Entwertung des weiblichen Teiles unserer Gattung. Ein Buch über weibliche Mysterien wie dieses ist nur einer der Wege, auf denen sich die wiedererwachende Göttin offenbart, und Iäßt uns die prophetischen, wunderbaren und heiligen Kräfte der Frauen ahnen. Die Lebensspenderin tritt aus dem Verborgenen ans Licht, um der bedrohten Menschheit, den Müttern und ihren Kindern zu helfen.

Was unterscheidet die Religion der Göttin von anderen Religionen?

Frauen oder Männer, die zum erstenmal mit der Religion der Göttin in Berührung kommen, erwarten auch hier einige, wenn nicht alle Attribute zu finden, die sie bereits von anderen Religionen kennen — Religionen, mit denen sie seit ihrer Kindheit vertraut sind, und meistens sind sie verwirrt, nichts dergleichen zu entdecken. Man könnte also darüber streiten, ob es sich hier um eine Religion oder eine Tradition handelt. Die Hexen selbst ziehen es vor, von ihrer Tradition zu sprechenWir unterscheiden uns nicht durch Farben (schwarze und weiße Hexen etc.), sondern eher durch bestimmte traditionelle Richtungen. Es gibt den dianischen Kult, Druiden, Gardnerer, Welsche Traditionen, englische Traditionen, piktische Traditionen, nordische Traditionen, Eklektiker und so weiter. Keine einzige, der Traditionen des Hexenkultes verehrt den Teufel. Der Teufel, der arme Kerl, wurde von den Christen erfunden, nicht von den Heiden. Ausgesprochene Satanskulte gibt es erst seit circa 150 Jahren, und sie waren eine späte Reaktion auf die Hexenverbrennungen. Der wichtigste Pfeiler der Hexentradition ist das Konzept der Trinität im Gegensatz zur Dualität. Dies allein macht schon deutlich, wie Leben innerhalb dieser Tradition verstanden wird.

Da wir nicht von der Dualität ausgehen, gibt es keine Trennung zwischen weiblich und männlich, schwarz und weiß, gut und böse und so weiter. Die Trinität vervielfältigt sich zu drei mal drei (die neun Musen) und explodiert dann in die Vielfalt der Natur das Andersartige wird auf der Basis dieses religiösen Konzeptes akzeptiert. Das bedeutet auch, daß wir nicht zwischen Körper und Seele trennen. Das eine wird nicht verachtet, das andere nicht glorifiziert. Es gibt keine Trennung zwischen den Geschlechtern, beide stammen von der gleichen Stelle, der Mutter. Wir unterscheiden auch nicht zwischen heilig und »profan«, denn alles in diesem Kosmos steht in Wechselbeziehung miteinander und nichts steht außerhalb der Natur. Die Natur umfaßt alles.

Wenn jemand ein Verbrechen gegen das Leben begangen hat, beispielsweise die Söhne und Töchter des »Feindes getötet hat (es gab in der gesamten Geschichte keinen Krieg, bei dem nur die Männer getötet wurden), dann müssen die Aggressoren als Volk das Karma des Feindes vollenden. Beispiel: Der Vietnamkrieg wirkt auf Amerika zurück. Die Kriegsveteranen leiden an physischen und psychischen Narben, »Gespenster sitzen ihnen im Nacken, wie sie es ausdrücken. Jedes Vergehen wider die Natur hat Konsequenzen. Nichts geschieht unbemerkt. Es ist kein Verbrechen, jemanden in Notwehr zu töten. Aber wenn man auf Befehl in den Krieg zieht, macht man sich schuldig, denn es gibt im Leben jedes Menschen einen Moment, in dem er sich aus seinem eigenen freien Willen, seinem von der Göttin gegebenen Sinn für Moral und Ethik, entscheiden kann, einen anderen Weg zu gehen. Der richtige Moment muß, um von uns als solcher erkannt zu werden, natürlich von bestimmten Umständen erhellt werden, ohne die wir tatsächlich unsere Bestimmung verfehlen könnten. Wenn wir unsere Wahl völlig unbewußt treffen, sind die Voraussetzungen stets negativ. Auswege aus diesem Dilemma finden wir durch Informationen, Wissen, Konfrontation, Erfahrung, das rassische Gedächtnis, das kollektive Unbewußte, die Allgegenwart der Göttin. Die Lebenskraft manifestiert sich in uns. Es ist also nie hoffnungslos. Aber es ist nicht immer leicht, mit dem höheren Selbst in Verbindung zu treten, besonders dann, wenn wir sinnlose Arbeit verrichten, von Sorgen getrieben und durch Monotonie zu Tode gelangweilt sind und uns lebende Meister fehlen, die uns lehren können, wie man in Schönheit lebt und in diesem Leben bekommt, was man will, wie man sich auf die Suche nach der Wahrheit macht und in Harmonie mit anderen lebt.

Ich spreche hier nicht von Lehren der Art »nur wir haben die richtige Antwort, die anderen sind »schlecht«, weil sie gegen unseren Gott sündigen« wie sie von den meisten Vertretern der jüdisch-christlichen, mohammedanischen, buddhistischen, Krishna, Moon und anderen Sekten verbreitet werden. Diese Leute beunruhigen uns nur insofern, als sie politische Macht gewinnen könnten, um andere zu entrechten. Leider geschieht zur Zeit in vielen Ländern genau das, und es überrascht mich nicht einmal, denn es zeigt sich heute mehr denn je, daß die sogenannten Weltreligionen auf militanten politischen Machenschaften fußen anstatt auf ihren Heiligen Büchern. Wenn die Christen nach ihrem Heiligen Buch lebten, würden sie sich aus der Politik und aus den Schlafzimmern anderer Leute heraushalten und sich um ihr eigenes Leben und ihre eigene spirituelle Entwicklung kümmern. Mehr als vierhundert Jahre lang wurden Frauen, die die Kirche zu Hexen erklärt hatte, systematisch gefoltert und ermordet.

Man schwenkte das Heilige Buch vor unseren Augen, als wir an die Brandpfähle gefesselt waren. Frauen — Hexen oder nicht — mußten seit jeher mit religiöser Unterdrückung leben. Sie erfuhren sie am eigenen Leibe. Manche wurden verbrannt, andere verstümmelt.

Noch heute existiert in Teilen Indiens, Afrikas und verschiedenen islamischen Ländern der Brauch, Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren die Klitoris herauszuschneiden. Noch heute wird Frauen in manchen Ländern eine Schwangerschaft nach der anderen aufgezwungen. Weshalb sollte eine achtbare Religion besessen sein vom Haß gegen Frauen — gegen irgend jemanden! Ich weiß es nicht. Es erscheint nur dann plausibel, wenn man es als militante Bestrebung betrachtet, ein Gesellschaftssystem zu errichten, in dem Frauen durch Abtreibungsverbote und Benachteiligung in der Arbeitswelt beherrscht werden sollen.

Klingt das nicht vertraut? Wenn man die Frauen beherrscht, beherrscht man das Reich. Frauen produzieren Bürger, Konsumenten, Erzeuger.