Mondsicht 

Rot geht die Blutmondin im Rauch der brennenden Blätter auf. 
Unter ihr verwischt der Nebel den Horizont und treibt über die geleerten Feder. 
Während das Gleichgewicht der Tage sich der Dunkelheit zuneigt, 
werden die Wälder in sanfte Schattierungen von Gelbbraun und Ocker getaucht 
und in das dunkle Rot alten Blutes. 
Zwischen den Blättern reifen Nüsse heran, 
und Eicheln und Eckern fallen zu Boden. 
Diese Freigebigkeit ist ein Festmahl für die Tiere des Waldes 
und sie setzen Fett an für die Jahreszeit des Hungers, die kommen wird. 
Die Luft ist ruhig und still. 
Es ist eine Zeit des Annehmens und der Vervollständigung. 
Die Waagemondin ist die Ausgewogenheit der Jahreszeiten; 
in ihrem Licht kommt die Welt zur Ruhe. 

 

Die Göttin spricht 

Maat 

Wie viele Male haben wir uns getroffen, du und ich! Ein Leben ums andere, meine Liebe, kommst du zu mir. 

Wir treffen einander, wenn du dich nach getaner Arbeit niederlegst und auf die andere Seite überwechselst, zu mir. 

Mit meiner Zwillingsschwester erwarte ich dich in dieser Halle der Doppelten Maat. 

Die Männer sagen, daß wir dein Herz mit einer Straußenfeder aufwiegen, um zu sehen, ob dein Leben es mit Schuld beschwert hat, oder Wohltätigkeit und gute Taten es leicht haben werden lassen. Aber wir sind nicht deine Richterinnen. Du bist es. 

Wenn du dem Leben mehr Leid zugefügt hast, als daß du es geliebt hättest, dann wird dein eigenes Herz dich verraten. 

Die Mondin, die in dir, in deiner Seele scheint, wird enthüllen, ob du bösartig oder gütig warst. Sie wird uns zeigen, ob du getötet hast, anstatt zu gebären, ob du öfter genommen hast als freiwillig von deinem Besitz zu geben. 

Nur du allein weißt das und du bist es, die dich schließlich an uns verraten wird. 

Wir sind die Wahrheit, der Rhythmus der Gerechtigkeit. Wir stehen dir einfach gegenüber und alles ist bekannt. Wir verkünden nicht das Schicksal, daß die, die für gut befunden wurden, siegreich unter den Toten wandeln werden. 

Du bist es, die das bestimmen wird. Du besitzt den freien Willen, die Grenzen deiner Freiheit nach deinem Tod festzulegen, meine Liebe, nicht wir. 

Du wirst dir andere Seelen suchen, die dich in deinem Verlust trösten, deine eigenen Ahnen werden dich aus der Halle der Doppelten Maat zurückfordern und dich in die nächste Welt geleiten. Die Toten sind tot, mein Liebes. Ich habe weder Hölle noch Himmel. 

Wie die Ernte wirst du eingebracht, gewogen und abgerechnet. Letztendlich wird das Gleichgewicht wiederhergestellt. In unserem Reich gibt es keine Schuld mehr. 

In unserem Reich bewahrt ihr alle nur eine Wahrheit.

Erblicke mich in den fallenden Blättern, erblicke mich in den Federn, die von Vögeln auf dem Erdboden zurückgelassen worden sind. 

Sieh mich in der Mondin Schein, in der Halle der Doppelten Maat. 

Die Bilanz deines Lebens muß mit der Bilanz deines Todes ausgeglichen sein. 

Die Ernte ist eingebracht. Es ist Zeit zu frohlocken; singe die Trinklieder des Weines, halte zu meiner Ehre großartige Tänze ab, umarme die, die dich lieben und gib mit deinen eigenen Schöpfungen Schönheit zurück.