Schon mit der Muttermilch
eingesogen:
Liebe geht durch
den Magen,
zum fressen gern hat man ihn, den Süßen,
schon im Kindergarten darf ihm keiner die Butter vom
Brot nehmen,
und in der Schule pickt er sich überall
die Rosinen raus,
was die Mädchen angeht, so ist er kein Kostverächter
einfach zum anbeißen, die Zuckermaus,
die er dann schließlich heiratet -
später schlägt sie ihm dann allerdings
auf den Magen
mit irgendwelchen schwerverdaulichen Ideen,
also muss der nächste Gang her,
Frischfleisch am besten und
junges Gemüse,
und im Job wird dem Chef Honig um den Mund geschmiert,
dabei denkt er nur daran, dass es jetzt um die Wurst
geht
und wie er sich ein Stück abschneiden kann
vom Kuchen,
und dabei endlich auf den großen Geschmack
von Freiheit und Abenteuer zu kommen,
also runtergeschluckt den Ärger,
in sich hineingefressen,
lieber die Laus über die Leber laufen lassen,
statt Gift und Galle zu spucken,
und das Magengeschwür lässt nicht lange auf sich warten:
als die Firma abspeckt, setzt man ihn vor die
Tür,
mit fünfzig muss er lernen, den Gürtel enger
zu schnallen,
kleinere Brötchen zu backen,
den Mund nicht mehr so
voll zu nehmen,
sich aber auch nicht mehr abspeisen zu lassen,
das Wenige auskosten,
den Augenblick auf der Zunge zergehen lassen
und gerade jetzt,
wo er endlich auf den Geschmack gekommen ist,
soll er schon den Löffel abgeben?
(Inge Müller, Atelier
"Die Geschichte", Ranstadt)
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