Ein alternatives Muster dazu ist die Identifizierung mit dem Rollenbild der passiven, altruistischen, weiblichen Mutter, dem femininen Archetypus, der die weicheren Yin-Energien für gültig erklärt und die ursprüngliche, kraftvolle Energie der Muttergöttin oder Weltenmutter abwertet. Werden wir zur Verkörperung des Yin, abgesondert vom Yang, ziehen wir verstärkt Yang-Eigenschaffen an, die mit der Weichheit und Zartheit von Yin nichts zu tun haben. Wir projizieren unseren Animus nach außen und fühlen uns zu Menschen hingezogen, deren überwältigender Animus uns dominiert und ausbeutet.

Ein häufiger Hinweis auf die Verinnerlichung der schlechten Mutter als Ergebnis mangelnder Zuwendung sind zwanghafte Eßgewohnheiten.

Tragen wir einen unstillbaren Hunger in uns, dann vermag Essen leicht zu einem Mutterersatz zu werden, den wir verschlingen und/oder zurückweisen können. Das Essen mag ein Versuch sein, viele Bedürfnisse, abgesehen von physischem Hunger zu befriedigen.
Vielleicht versuchen wir, das zu kurz gekommene Kleinkind in uns zu nähren oder schlucken die Wut auf die Mutter und unsere Lieben, die uns vernachlässigten, hinunter. Wir mögen das Essen dazu benutzen, Kontakt zu unserem Körper herzustellen, um die nagenden Schmerzen unerfüllter Bedürfnisse zu dämpfen, um das Denken zum Schweigen zu bringen und uns den unbewußten Vorgängen der Verdauung hinzugeben.
Wir mögen sogar versuchen, einen tiefen Seelenhunger zu stillen; eine Sehnsucht, mit unserem essentiellen Wesen verbunden zu sein, das wir erfolglos, getrennt vom Körper, suchten.

Der Mond dreht sich um die Erde und ist von ihr abhängig. Unsere lunaren Gefühle sind ebenfalls vom irdischen Körper abhängig, der sie beherbergt und erhält. Diesen Körper zu besitzen oder wieder in Besitz zu nehmen verlangt von uns, die verwundeten Instinkte zu akzeptieren und die Wut auf diejenigen zu erfahren, die versagten, unseren Bedürfnissen gerecht zu werden. Während wir langsam lernen, diese Wut loszulassen, können wir uns der Aufgabe zuwenden, für uns selbst Mutter und primäre Quelle der Fürsorge zu sein. Nur wir allein können die Wunden der Vergangenheit heilen.

Das Wasser, das uns jetzt nährt, mag das Wasser unserer Tränen sein, wenn wir um das trauern, was wir nur unzureichend erfahren oder verloren haben.
Wir müssen uns entschließen, unsere Gefühle wiederzufinden und ihnen treu zu bleiben, auch wenn sie eine geballte Ladung nicht integrierter vergangener Erfahrungen mit sich bringen; wir müssen uns des weiblichen Archetypus oder der inneren Gestalten der Göttin bewußt werden.
Wir müssen uns immer wieder fragen, was unsere wirklichen Bedürfnisse sind, sie erfahren, sie einschätzen und unser Leben umstrukturieren, so das wir ihnen so gut wie möglich nachzukommen vermögen.

Diejenigen von uns, die mehr von der schlechten Mutter, als von der 'guten Mutter' verinnerlicht haben oder die auf andere Weise nicht in Einklang mit den lebensbejahenden lunaren Kräften stehen, müssen möglicherweise auf die chaotischen Ebenen kindlicher Gefühle und Instinkte hinabsteigen, um die Lebensquelle wiederzufinden.
Im Gegensatz zum spirituellen Streben, das aufwärtsblickt und zu mystischen oder herz-zentrierten Ebenen aufzusteigen sucht, vermögen wir den verlorenen Geist nur durch eine Reise nach unten, hinab zu den ursprünglichen Ebenen, wiederzugewinnen: Solch eine Reise ist gefährlich und muß einem göttlichen Zweck geweiht sein, wenn wir die oft ungezähmten und verknäulten Kräfte von Angst, Schmerz und umwandeln wollen statt von ihnen überwältigt zu werden.