Diese
Karte zeigt die Erntegöttin.
Dies ist der Furcht erregende Aspekt der Göttin Cerridwen als Greisin. Sie ist in Purpur gekleidet, trägt eine Kapuze und schwingt eine Sichel, um die letzte Ähre auf dem Kornfeld zu ernten. Es ist Nacht, der Erntevollmond steigt am Himmel auf. Die Umrandung der Karte ist mit Efeu, Totenschädeln und Getreide geschmückt. |
In Schottland wurde die letzte Ähre als Frau betrachtet und Cailleach (alte Frau) oder »Hunger des Bauernhofs« genannt. Der Mann, der diese letzte Ähre abschnitt, hieß »Winter« und musste die verschiedensten Beleidigungen über sich ergehen lassen. Außerdem hatte er den ganzen Winter für die Cailleach zu sorgen - eine Aufgabe, die als äußerst unheilvoll galt, weil es mit großer Wahrscheinlichkeit den Tod für den Bauern, seine Familie oder seine Herde bedeutete. Oft wurde versucht, die Cailleach an andere weiterzureichen, die ihre Ernte noch nicht vollendet hatten. Die Kornpuppe hieß oft auch »Kornhexe des Winters«, da sie welkte und austrocknete. Efeu wird manchmal als das weibliche Pendant zum Getreide betrachtet, als die Göttin, die den Korngott erschlägt. In England wurde die letzte Ähre des Feldes mit dem Efeu verflochten, und das Ganze nannte man dann »Efeumädchen«. Jener
Bauer, der als letzter seine Ernte einbrachte, erhielt zur Strafe das
Efeumädchen, und dies symbolisierte Unglück bis zur nächsten
Ernte. Die Efeugöttin ist die Instanz, die den Korngott erschlägt,
damit er uns alle ernähren kann. Aber sie nimmt ihn in ihren Schoß
auf, in dem er auf seine Wiedergeburt wartet, denn ihr Schoß ist
die Unterwelt. Dort keimen die Samen und die Seelen harren ihrer Wiedergeburt. |
Nach der Ernte werden die Stunden des Tageslichts kürzer. Das nächste Fest im Kalender ist Samhain, der Winteranfang. Nun tritt die »Dunkle Königin« ihre Regierung an und wird zur Samhain-Mutter, die die Seelen der Toten frisst, oder zum Aspekt der »weißen Sau« der Unterweltgöttin Cerridwen, deren Schoß aufschwillt, weil er die Seelen der Toten in sich trägt. Die Winterhälfte des Jahres wird von der »Winterhexe« regiert: sie bringt Kälte und Dunkelheit, die Vegetation erstirbt, und die Erde schläft. Es ist kein Zufall, dass die Zahl dieser Todeskarte die Dreizehn ist. Im
Sonnenjahr gibt es dreizehn Mondmonate, von denen jeder ungefähr
28 Tage von Vollmond zu Vollmond dauert. Dreizehn Tage nach dem Vollmond
kommt die Zeit des Schwarzmondes, des toten Mondes, in der der Mond nicht
mehr am Himmel sichtbar ist. Die Menschen der alten Zeit glaubten, dass
die Ahnen vom Mond auf die Erde gelangten, indem sie auf den Mondstrahlen
in die langen Grabkammern aus aufgeschichteten Steinen gelangten, in denen
man mit ihnen Kontakt aufnehmen konnte. Ihr Eingang war geostet, so dass
das Licht des aufsteigenden Vollmondes in sie eindringen konnte.
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In der alten Zeit stellten die Menschen die Göttin als Grabhügel dar, in den die Toten gelegt wurden. Das Grab war also gleichzeitig auch der Erdschoß der Göttin, in dem die Seele auf ihre Wiedergeburt wartete. Es ist schwierig, den Greisinnen-Aspekt der Göttin zu integrieren. Wir können die Jungfrau in ihrer Schönheit bewundern, die Mutter in ihrer Fruchtbarkeit und sexuellen Reife. Aber wie kann sie auch als alte Frau, die nicht mehr fruchtbar und begehrenswert ist, verehrt werden? Dies ist vielleicht eine der wichtigsten Lektionen überhaupt. Denn sie ist noch immer weiblich, sie ist noch immer die Göttin. Sie verfügt über Weisheit, sie bewahrt die Mysterien, sie ist die Dunkle Mutter des Verborgenen, der Finsternis, der Geheimnisse des Grabes, und sie ist auch die Führerin zur Wiedergeburt. Das
trifft auf Cerridwen, Morgane
Le Fay und die Cailleach, Cerridwen,
die weiße Sau, ist die Einweihungsgöttin der Unterwelt, die
über den Kessel von Tod und Wiedergeburt verfügt, in den alle
Seelen am Ende ihres Lebens getaucht werden. |
An diesem Punkt fordert die Göttin uns auf, die Unterwelt zu betreten. Ihre Gewänder, die zuvor purpurn waren, färben sich nun schwarz. Sie
ist erschreckend, sie macht uns Angst, aber der Tod als Teil des Zyklus
wird uns alle erreichen. Ihn zu leugnen hieße, die Hälfte unseres
eigenen Wesens zu leugnen. Wir versuchen, den Mysterien der Todesgöttin
zu entfliehen - aber sie besitzt eine Schönheit, die jenen nicht
zugänglich ist, welche nicht unter die Oberfläche blicken. Ihr
dunkles Gewand umhüllt uns und beendet all unser Begehren, und in
ihrer Fürsorge schlafen wir, bis eine neue Dämmerung naht. |
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