Schuld

Welch merkwürdiger Begriff.

Festgelegt oft schon im Moment der Geburt, in einer unendlichen Wirkungskette durch ein ganzes Leben, bis heute. Schuld, die die Luft zum Atmen raubt, an der wir ersticken.

Das Stigma, eingebrannt in jede einzelne Zelle unseres Körpers, lässt mich kapitulieren und oft vor Angst erstarren.
Schuld.




Je mehr ich versuche sie zu definieren, desto verschwommener wird sie. Es kommt auch nicht darauf an, welche Schuld uns wofür aufgebürdet wurde. Anschauen müssen wir, was Schuld aus uns macht. Wo sie uns hinführt. Jede für sich, individuell.

Ich wurde als Kind in den Erziehungheimen und Abteilungen der Psychiatrie domestiziert, darauf dressiert zu funktionieren und mich anzupassen. Als Untote kam ich immer wieder zurück in einen Alltag, den ich nicht bewältigen konnte, als lebende Mahnung der Unfähigkeit von Ärzten, Psychiatern, Psychologen: stotternd und gebrochen, versteinert, isoliert, verpanzert, voller Mißtrauen, Angst, Traurigkeit und einer tiefen Sehnsucht nach dem Tod.

Viele Lebenssituationen schmerzen wie eine amputierte Hand.
Seltsam vertraut ist der Schmerz wenn er wieder Macht gewinnt.

Immer wieder gelingt es mir, Situationen zu kreieren, in denen ich mich schuldig fühlen kann.
Schuld - ein Nebelschleier den ich oft nicht festmachen, nicht verbalisieren kann. Wie einen Mühlstein trage ich sie um meinen Hals, sie ist ein Brandmal auf meiner Seele, eingebrannt in meinem Kopf, eingespeichert in jede Zelle meines Körpers.

Als eisernen Schild trage ich sie vor mir her und halte sie oft hoch wie die Trophäe eines billigen Sieges über die scheinbare Vernunft der anderen.

Seht her, ich bin schuldig! Ich habe meine Schuld eingesehen.

Ihr habt mich längst schuldig gesprochen - ihr, die ihr das Wort so gern gebraucht wenn es um Eure eigenen Unzulänglichkeiten geht - immer dann, wenn ich etwas getan habe, was ich nicht hätte tun sollen.

Welche Kraft gibt mir diese Schuldzuweisung!
Welche Macht liegt in diesem Wort!

 Schuld, welch merkwürdiger Terminus, er begleitete mich ständig.
Ich dachte, ich könne nichts anderes tun, als meine Schuld zu tragen...

Es ist einfach schuldig zu sein, es entlastet scheinbar, ist wie eine Droge, es gibt diesen Rauschmoment des kindlichen Trotzes."Mir kannst du nichts tun, du nicht, denn ich bin schon umringt von schuldig sprechenden Menschen, stell Dich nur dazu wenn Du magst."

Wenn Schmerrzen sich ihren Weg durch meinen Körper bahnen mit der größten Selbstverständlichkeit, dann habe ich sie selbst verursacht mit meiner Schuld, die mich so schwer macht, so leidend.

Wenn diese Schmerzen an meiner Kraft zehren, wenn sie mich ermüden, meinen Schlaf rauben und mich zu einem wimmernden Stück Mensch machen, nicht diagnostizierbar und nachvollziehbar für die studierten Ärzte, von denen ich oft nur Schulterzucken bekomme, Spritzen, Tabletten und den Hinweis, das dies zu meinem komplexen Krankheitsbild gehört, dann sind sie durch Schuld, durch dieses: du bist schuld, erzeugt.

Ich habe beschlossen, mich zu "entschulden" ab jetzt - sofort .....