Gelassen
und unbeirrt folgt die runde Mondin Ihrer Bahn durch den Himmelskreis.
Doch während sie weiter dahinrollt, geht vor ihr ein neuer Planet auf blau wie Lapislazuli in Strähnen von Wolkenschleiern gehüllt. Wie vollkommen diese Welt doch ist in ihrer Rundheit, wie perfekt ausbalanciert, wie reich an Elementen, geschützt durch ihren zarten Schleier, die Atmosphäre. Die Mondin ist weiß und kalt aber da unten ist alles Bewegung. Das Lebensgewebe, das seine Oberfläche bedeckt ist Teil des Glühens. Voll Liebe greift die Mondin nach ihm, und er Planet, Land und Meer und alle Kreaturen erwidern dieses Sehnen. Und immer noch rollt die Mondin weiter und das Erdenlicht färbt ihr Weiß mit einem blauen Schimmer. Die
Göttin spricht Titania Erhebt euch aus den unerwarteten Nebeln, meine Feenvölker, meine lieblichen Blumen!
Ich, die Königin der Natur, wünsche hier zu ruhen und durch
eure Narreteien unterhalten zu werden. Das ist unsere magische Überraschung für die Welt, es ist auch unser eigenster Scherz und unsere Freude, eine zusätzliche Vollmondin in manchen Monaten einzuschieben. Es scheint nicht sonderlich lange her zu sein, daß einige Priester für die Zeitrechnung den silbernen Kalender der Luna mit dem goldenen der Sonne vertauschten. Ha! Die Mondin hat da nicht ganz reingepaßt, jetzt stehen sie damit dem Unerklärlichen, und die blaue Mondin ist sogar noch magischer als zuvor! Dreizehn volle Mondinnen gibt es immer in meinem Jahreskreis, nicht zwölf. Für die Kirche war die sanfte Mondin zu bedrohlich ; die Mondin hielt die Feenfeiertage, die die Leute so gerne voll Frohsinn feierten, am Leben. Jetzt haben sie Verwirrung. Zusätzliche Tage und zusätzliche Nächte bleiben über, weil nur die Mondin die Zeit im Einklang mit den Gesetzen der Natur mißt. Also, meine Feen, laßt uns tanzen! Die
blaue Vollmondin scheint. Meine Feentochter, die Fröschin, ist immer die erste, die sich zu diesem Anlaß erhebt. Schau, wie sie ihre grüne und braune Haut abstreift, sieh, wie sie ihren silbernen Umhang anlegt und ihre silberne Krone aufsetzt. »Wirst du mich küssen? « fragt der sterbliche Mann voll Verlangen nach Liebe. »Ich werde dich küssen -wenn du stirbst«, antwortet sie mit einem Lächeln. »Dann laß mich jetzt sterben «, verzehrt sich der Sterbliche vor Sehnsucht. »Geh nicht, geh nicht! Deine Zeit ist noch nicht gekommen! « zirpen die Insekten als Antwort. Wenn du mich erst bei meinem Tode küssen wirst, dann laß mich jetzt für dich sterben! « Oh, sieh, wie der magische Kuß von der Prinzessin des Teichs dem sterblichen Mann gewährt wird, der voller Liebesverlangen glüht. Sieh, wie er sich in ihren Gefährten verwandelt, ihren Gatten. Wie glücklich sie jetzt tanzen! Der Kuß des Lebens hat sie beide verwandelt. Unter der Blauen Mondin kannst du andere Gestalt annehmen, du kannst andere Welten aufsuchen, du kannst die wahre Liebe finden. Ich, Titania, wache über die Wunder. Ich bin die Feenkönigin, die Elfe der Natur, die Energie, die alles in vollkommenen Kreisläufen wirken läßt. Sieh, nun kommen Hexen in Grüppchen zu dreien und vieren, alle zusammen dreizehn, dort unter dem großen Rotholzbaum. Werden sie meine Nähe fühlen? »Dürfen wir dich sehen, bitte? « Schon spüren sie meine Anwesenheit. Meine Enkelkinder sind sie. Ich heule durch die Kehle meiner Eule zurück. Die Hexen schwingen, halten sich bei den Händen, sie schwingen im Rhythmus. Dann spricht die Jüngste wieder. »Dürfen wir dich bitte sehen, o Göttin der Wälder? « Oh, das macht großen Spaß! Titania ist niemals langweilig. Ich kenne viele magische Tricks. Ich bin es, die alle verehren. »Ja, ihr dürft mich sehen!« sage ich als eine der Frauen. »Wer hat das gesagt?« fragen sie, jetzt voll Unruhe. Tief in sich selbst wissen sie, daß ich es war. »Titania!« singen sie meinen Namen, und die Wälder werfen das Echo zurück. »Titania, blaue Mondgöttin! Komm zu uns! « »Ich bin schon da!« sage ich durch die Kehlen meiner Hirsche. »Habt ihr gehört? Habt ihr das gehört?« fragen sie einander aufgeregt. Und ich lache. Mein Lachen ist das Lied der Nachtigall, das aus den Gräsern aufsteigt. »Ich muß schlafen«, sagt die Jüngste nun. »Ich glaube, wenn ich träumte, würde ich sie wirklich sehen. « Sie legen sich alle auf meinem moosigen Gras hin. Ich lege mich zu meinen Hexen und werde Visionen in ihre Köpfe träufeln aus einer Blume, die ich an meinem Busen trage, dem Beifuß. Also träumt, meine Kinder, träumt von mir! »Ich sehe sie!« sagt die Älteste nun in tiefem Schlaf. »Ah, jetzt sehe ich sie! « flüstern die übrigen Hexen. Nun haben sie alle Visionen von Titania. »Seht noch mehr, meine Enkelkinder!« flüstere ich. Kommt, seht meine Familie, die Elfen; kommt, seht euch ihre winzigen, zerbrechlichen Flügel an, die durchscheinenden, samtigen Flügel, die sie für sich selbst entworfen haben. Seht ihre winzigen, roten Schuhe, die euch helfen können, Berge ohne Mühe zu ersteigen. Seht die Spiegel, die sie in ihren Taschen tragen meine Elfen können hineinschauen und mich und einander zu jeder Zeit, wo sie es wünschen, sehen. »Wie ist unsere Zukunft? « fragen meine Hexen. »Die Zukunft ist Leben «, antworte ich und sie sind es zufrieden. Es ist still geworden im Wald der Rothölzer. Die Hexen schlafen und träumen von mir und beobachten die Festivitäten, die sich zu später Stunde entfalten. »Herrin, Lord Oberon sucht nach dir! « sagt mein kleiner Grillendiener. »Laß ihn nur suchen! « sage ich lächelnd. »Mein Lord Oberon weiß, wo seine Herrin ist. « Bald wird er erscheinen in seiner nackten Schönheit, mein Gatte, der mich unter der Blauen Mondin liebt. »Dies ist die Nacht unserer Zusammenkunft, meine Dame! « sagt er, wie er aus den Schatten hervortritt. »Es ist so, wie es sein soll! « antworte ich. »Titania ist bereit, mein Lord! « Als Hirsch kommt er zu mir, sein Geweih bedeckt mit jungfräulichem Flaum, ein Spiegel des Mooses unter seinen Hufen. Oh, mein Oberon, mein Kind, mein Gatte! Ich umarme ihn innig, meint, weißen Brüste wie Lilien, meine rosigen Arme wie Rosen, mein tief für Schoß wie die Tiefen der Sümpfe. Meine Lippen erröten wie Himbeeren auf der Suche nach den seinen. Er fühlt meine Bezauberung, er atmet tief, als meiner Lust zu Diensten ist, er leckt, er küßt, er flüstert Phantasien in meine Ohren. Über uns segelt die Blaue Mondin dahin, Selenes Wagen. Ich liege in den Armen meines Geliebten und lasse ihn mich zur Ekstase tragen. Die ganze Natur paart sich, wenn ich es tue. Die ganze Natur liebt, wenn ich liebe. Meine Hexen schütteln die Köpfe. »Was stimmt nicht?« frage ich. »Nichts. Es ist nur deine Paarung, Herrin. Du bist mit einem Mann zusammen. « »Ihr irrt, meine Enkelkinder. Mann und Frau, in mir sind alle eins. Seht euch nur meine Calla-Lilien, Orchideen und Dattelpalmen an. Schlaft
weiter und sorgt euch nicht. « Die Nacht fliegt vorüber. |