Eine
kleine Geschichte
Der
Einsiedler war in seinem Garten. Beschäftigt mit seinen Blumen. Da
kam Puschka, der Gefängniswärter, eilig, verschwitzt und mit suchendem
Blick vom Dorf herauf. Grußlos fragte er den Einsiedler, ob er Maschka
gesehen habe. Darauf fragte ihn der Einsiedler: Maschka?
Wer
ist das? Ein Verbrecher,
der aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Ah
Ja, und was willst du von ihm? Na,
nun frag nicht so komisch. Einsperren
natürlich. Warum?
Weil er ausgebrochen ist.
Ja,
aber er ist doch nur ausgebrochen, weil du ihn eingesperrt hast. Hättest
du ihn nicht eingesperrt, wäre er auch nicht ausgebrochen. Also sag
mir: warum hast du ihn eingesperrt? Weil
er ein Vebrecher ist! Was
hat er getan? Er
hat eine alte Frau ausgeraubt. Und
deshalb sperrt ihr ihn ein. Natürlich! Aber warum denn?
Nun Strafe muß sein. Wenn wir ihn laufen
ließen, würde er sicher wieder jemanden ausrauben.
Sperrt ihr ihn denn ein ganzes Leben ein? Nein,
nur ein paar Jahre. Und
meinst du, daß, wenn er dann rauskommt, er niemanden mehr überfällt?
Der wird sich hüten, denn dann sperren wir
ihn wieder ein! Ihr
macht ihm also Angst. Aber warum hat er wohl die alte Frau überfallen?
Weil er ein schlechter Mensch ist; ein verkommenes
Subjekt, daß sich bei uns im Dorf nicht einfügen kann.
Statt einer Entgegnung führte der Einsiedler
den Gefängniswärter in sein Gewächshaus: Schau hier habe
ich Pflanzen, die anders sind. Sie sind schwächer, teilweise von Ungeziefer
befallen, teilweise tragen sie keine Früchte.
Sie
sind anders, fügen sich nicht ein. Ich stelle sie nicht in eine Ecke
und überlasse sie sich selbst. Vielmehr pflege ich sie besonders, damit
sie wieder zu den anderen passen. Manchmal geht es schnell. Manchmal dauert
es lange, bis ich sie wieder zu den anderen stellen und mich an ihnen erfreuen
kann. Würde ich sie in eine dunkle Ecke stellen und mich nicht besonders
um sie kümmern, könnte ich mich nie mehr an ihnen erfreuen. Und
auch die anderen Pflanzen freuen sich, daß ich mich um die Außenseiter
kümmere. Denn das gibt ihnen die Sicherheit, in guter Obhut zu sein,
sollten sie auch einmal zu Außenseitern werden.
Nach
diesen Worten des Einsiedlers schwieg Puschka lange, verabschiedete sich
kurz mit einem Gruß und ging. Aber er wußte nicht, wohin er gehen
sollte.
Mit
freundlicher Genehmigung des Verfassers
Hans
Maienhofer
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