Der
eigene Raum
Mit dieser
Frage fängt die Revolution an, die wirkliche, unaufhaltsame Wandlung der
Welt.
Denn wir leiden alle darunter, daß es kaum noch Menschen gibt, die ihren
Raum und die Bedürfnisse, die mit der Erkenntnis dieses Raums verbunden sind,
erkennen.
Woher ich
das so genau weiß? Ich sehe Menschen Arbeiten verrichten, die sie eigentlich
hassen. Ich sehe Frauen lächeln, die nur schreien möchten. Ich sehe
Leute, die mit Händen oder Beinen nervös zittern, weil sie eigentlich
ganz woanders sein wollen, keine Zeit haben, ungeduldig sind, schier verrückt
werden. Ich sehe Kinder herumnörgeln, weil ihnen Stück für Stück
genommen wird, was ihre Persönlichkeit zum Wachsen braucht. Ich sehe ratlose,
frustrierte, gehetzte, kranke, müde, erschöpfte, haßerfüllte,
wütende, panische Gesichter.
Wenn du
den eigenen Raum einnimmst, befindest du dich auf eigenem Hoheitsgebiet, und dort
hat dir niemand Vorschriften zu machen. Ich drücke es so aus: Wo ich meinen
Arsch hinsetze, ist mein Königreich, und alle anderen sind Abgesandte fremder
Königreiche.
Natürlich können wir verhandeln, aber immer unter der Voraussetzung,
daß jede verhandelnde Person ihre Hoheitsrechte wahren kann. Das hat nichts
mit Egoismus zu tun, sondern mit der Wahrnehmung der eigenen Person mitsamt den
sprituellen und seelischen Schichten und der Verantwortung, die sich daraus ergibt.
Ich achte
mich selbst und will geachtet werden, ich achte auch die anderen.
Du bist überhaupt nicht verpflichtet, Rat, Kritik Lob (o ja, denn auch Lob
hat es in sich und konditioniert oft noch viel stärker), Anregungen und dergleichen
anzunehmen. Auch wenn es unvernünftig und stur wirkt.
Du bist
nicht verpflichtet, vernünftig zu sein. Es ist ganz dir überlassen,
ob du verrückt, irrational, unansprechbar oder traumtänzerisch sein
willst.
Niemand kann dich dazu zwingen "endlich zur Vernunft zu kommen".
Allerdings ist die andere Seite dieser Eigenverantwortung, daß du dich bei
anderen auch nicht mehr beklagen kannst. Jetzt nimmst du dein Leben wirklich in
deine Hände, und wie unerfahren und unbeholfen du auch immer sein magst:
Es ist deine Gestaltung in deinem ureigenen Raum, ganz bei deiner ur-eigenen Macht.
Den eigenen
Raum einnehmen, heißt ganz da sein und sich nicht dafür entschuldigen,
nichts erklären, nicht zurückweichen, sich nicht klein oder größer
machen.
Heißt, im eigenen Magnetfeld ruhig und gelassen anderen begegnen.
Mit einem Blick wirklich hinschauen! Die Stimme so schwingen lassen, daß
sie den ganzen Raum einnimmt, gehört wird, klar und wahr ist! Den ganzen
Körper bewohnen, auf der Erde stehen, sich mit dem Atem in die weitesten
Grenzen des Körpers ausdehnen! Den eigenen spirituellen Raum einnehmen heißt,
den eigenen Impulsen, Gedanken, Wünschen, Visionen vertrauen.
Meine Wünsche
gelten nur für mich. Wer immer sie blöd findet, sitzt nicht im Mittelpunkt
meines Universums und kann deshalb kein Urteil abgeben. Vielleicht sind sie wirklich
blöd, sinnlos, Energieverschwendung. Aber
selbst das ist meine Sache.
Wie kann
eine Spinne von einer Schnecke einen Rat annehmen oder umgekehrt?
Klar, Menschen reden über alles, und ich kann mir aus dem Gesagten einiges
herausfiltern - oder nicht. Aber das berührt nicht meinen Raum.
Es scheint,
als würde der eigene Raum hauptsächlich von außen begrenzt, aber
das stimmt nicht. Erst wenn ich die Begrenzung, die mir mit mehr oder weniger
Macht aufgedrängt wird, annehme, schrumpft mein Raum.
Erst indem
ich die Begrenzung vor mir selbst rechtfertige, ja sogar Begründungen und
vernünftige Argumentationen erfinde, also zur eigenen Gefängniswärterin
werde, nehme ich mir den Raum wirklich. Jemand könnte mich zwingen, schwerste
Arbeiten zu verrichten, kein Wort zu sprechen, immer zu gehorchen und auf jede
eigenständige Handlung zu verzichten:
Solange
ich diesen Zwang innerlich nicht annehme und ihn als Unterdrückung erkenne,
solange ich mir selbst treu bleibe und mir sage, diese Situation hat mit mir nichts
zu tun, es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie beendet sein wird, bleibe ich
bei mir und in meinem Raum.
Wenn ich aber anfange, zu überlegen, daß "alles meine Schuld"
ist, daß ich eben nicht klug genug, nicht schön genug, nicht tüchtig
genug, nicht gebildet genug bin, daß ich einen Fehler gemacht habe, dann
wird mein Raum verletzt, und ich verliere an Substanz.
Luisa
Francia »DEN EIGENEN RAUM EINNEHMEN«
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