Byron Katie und ihr Selbsterkenntnis-System "The Work"
http://www.thework.de/
http://www.thework.org/german21ways.htm
 

Einfach, aber wirkungsvoll
von Moritz Börner 

Eine Durchschnitts- Amerikanerin erfuhr, dass sie eins ist mit allem - und entwickelte daraus "The Work"

Byron Katie ist etwa 55 Jahre alt und bereist die ganze Welt, um "The Work" zu lehren. Sie lebt in Barstow, Kalifornien, und betreibt dort ein Zentrum. Vor ihrer "Erleuchtung" vor zwölf Jahren hatte sie viele Probleme in ihrer Ehe, mit Geld und ihrer Gesundheit; sie trank, rauchte und war in psychiatrischer Behandlung. Sie hatte keinen Lehrer und keinerlei spirituelles Wissen. Ihre Kinder waren drogenabhängig. 

Nachdem sie erfahren hatte, dass sie eins ist mit allem, was existiert, und dass sie aus reiner Liebe besteht, machte sie eine für ihre Mitmenschen schwierige Phase durch, in der sie zum Beispiel wildfremde Menschen auf der Straße umarmte und küsste. Sie löste sich zeitweise völlig aus ihrem alten Leben. Ihre nähere Umgebung konnte mit ihrer neuen Weltsicht nichts anfangen und hielt sie für verrückt. 

Nach und nach klinkte sie sich wieder auf der "Erde" ein. Ihre Familie gab ihr durch Erzählungen "ihre Geschichte" wieder, eine scheinbare, äußere Identität, die zwar für sie bedeutungslos ist, mit deren Hilfe sie sich aber unter uns bewegt: eine Durchschnittliches-Amerikanerin, die unauffällig aussieht, unauffällig lebt, bescheiden, liebevoll und unspektakulär auftritt. Sie nimmt grundsätzlich nur Spenden für ihre Arbeit und kommt auf Einladung - oft auch nur für einen Abend und einen einzigen Menschen (ihre, meist auf eigene Kosten mitreisenden Freunde versicherten mir das jedenfalls). 

Wichtig: tägliches Üben

Byron Katies System ist denkbar einfach - für viele zu einfach: Stelle einige Behauptungen auf, beantworte dazu vier Fragen und drehe sie so um, dass sich die Behauptungen nun auf dich beziehen. Sinn macht das allerdings nur, wenn man es täglich übt; es handelt sich wirklich um Arbeit, daher der Name "The Work". 

Als Behauptungen kann man alles nehmen, was man denkt - Denken entspricht nur dem Wiederholen von Glaubenssätzen. Am besten eignet sich Bösartiges, das man über andere denkt, und das Ärger über sie in uns hervorruft. Nachdem ich alle Menschen meiner Umgebung so einigermaßen "durch" hatte, begann ich mit "Ich mag Autos nicht, die mitten auf dem Gehsteig parken, "Ich ärgere mich über die Höhe meiner Steuern" etc. Wenn mir absolut nichts mehr einfällt, schalte ich den Fernseher ein, da gibt es genug Material. 

Wichtig ist es, die Behauptungen und Glaubenssätze aufzuschreiben, es handelt sich dann um Momentaufnahmen meines Geistes, die ich untersuchen kann. Der Geist muss stillstehen, damit man ihn untersuchen kann. 

The Work ist eine Untersuchung, eine Suche nach der Wahrheit über uns selbst. 

Zu Beginn war ich noch sehr mit meinen Themen identifiziert und war über die offensichtliche Wahrheit über mich erschreckt. Inzwischen stelle ich mich mit an Masochismus grenzendem Humor in Frage - als ob ich einen fremden Verstand sezieren würde. In meinem Herzen weiß ich, dass ich das gar nicht bin, der all diese oft so zerstörerischen Konzepte benutzt. 

Unsere Feinde zeigen uns, wer wir sind

Seit ich häufig mit anderen Menschen "The Work" mache, sehe ich, dass wir alle die gleichen oder ähnliche Projektionen haben. Es scheint, als ob die Welt perfekt eingerichtet ist: Wir werden von unseren scheinbaren Feinden ständig daran erinnert, wie wir denken und was wir an uns verbessern können. Ich sehe, wie die Gedanken scheinbar unabhängig, automatisch, fast wie aus einer Art kollektivem "Mind" aufsteigen und, erst nachdem sie gedacht werden, ein Gefühl erzeugen. Und diese Gefühle wiederum sind es, die zu Handlungen führen. Inzwischen wird mir dieser Vorgang viel schneller bewusst, und ich lerne zunehmend, sie schon während ihrer Entstehung akzeptierend umzudrehen: Dieser Mensch dort sieht verkniffen aus, er erinnert mich an meine eigene Verkniffenheit, ich danke ihm, dass er mich darauf hinweist. Die donnerstägliche Kehrmaschine vor meinem Fenster stört mich - es ist mein eigenes Denken, das stundenlang lauthals in mir rattert und mich nicht zur Ruhe kommen lässt. 

Wer bin ich ohne alle Glaubenssätze, Meinungen, Gedanken? Ich bin frei, absolut frei. Wessen Angelegenheit ist dies oder jenes? Egal, jedenfalls nicht wirklich meine. The Work bedeutet allerdings wirkliche Arbeit: Man muss das System in jeder Sekunde aktiv leben, immer wieder seine Gedanken und Glaubenssätze in Frage stellen - in dem ständigen Bewusstsein, dass alles, was wir denken und tun, nur Glaubenssätze sind. Die bloße Erkenntnis, die wir haben, wenn wir uns ab und zu eine entsprechende Frage stellen, hat keinerlei Nutzen und Wirkung. 

Das Erstaunlichste an "The Work" scheint mir, dass es auch funktioniert, wenn man es absichtslos, fast mechanisch erledigt. Es ist, als ob man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen würde. Und: Das System ist so einfach, dass wir die Wirkung und Veränderung auf unser Leben kaum glauben können. Wir sind es gewöhnt, dass die Wahrheit tief verborgen liegt und erst ein langes Graben erfordert. Dass sie so offensichtlich ist, verblüfft zuerst einmal jeden. 

Manche "Sitzungen" haben Wunder in meinem Leben bewirkt, andere muss ich regelmäßig wiederholen, bevor etwas geschieht. Wichtig ist, es nicht zu tun, um ein Problem zu lösen, sondern um der Wahrheit willen. "Ich liebe die Wahrheit", sagt Byron Katie. 

So funktioniert THE WORK
Der Fragebogen für den Selbstversuch 
"Urteile über deinen Nächsten - schreibe es auf - stelle vier Fragen - kehre sie um" 
Byron Katie

Die Urteile

Wähle eine Situation aus deinem Leben, die du als ungelöst erlebst. Schreibe in Form von Behauptungen auf, was dich daran ärgert. Schreibe über dich selbst. Bitte habe den Mut, hart und ungeniert zu urteilen. Sei nicht freundlich oder spirituell. Jahrelang hat man uns gesagt, wir sollen nicht urteilen und dennoch ist es immer noch das, was wir am besten können. Schreibe kurze, einfache Sätze. 

  1. Wen oder was magst du nicht? 

  2. Was ärgert dich? 
    Wer oder was macht dich traurig oder enttäuscht dich? 
    Ich mag ...... nicht, weil ...... oder ich bin ärgerlich auf ...... , weil ...... 

  3. Wie soll er/sie sich aus deiner Sicht ändern? 

  4. Was willst du, dass er/sie tut? 
    Ich will, dass ...... 

  5. Was ist es, was er/sie tun oder nicht tun sollte, wie sollte er/sie sein oder leben? 

  6. ...... sollte oder sollte nicht ...... 

  7. Brauchst du etwas von Ihnen? 

  8. Was muss er/sie tun, damit es dir gut geht? 
    Ich wünsche mir dringend, dass ...... 

  9. Was denkst du über ihn/sie? Mache eine Liste. 

  10.  

     

  11. Was genau willst du mit dieser Person, dieser Sache, oder welche Situation willst du nicht wieder erleben? Ich will nicht wieder erleben, dass ...... oder Ich weigere mich, jemals wieder zu erleben, dass ...... 
Die Untersuchung und das große Auflösen
Jetzt geht es darum, die aufgeschriebenen Behauptungen mit Hilfe der vier Fragen zu untersuchen und in einem weiteren Schritt die Urteile aufzulösen. Du löst ganz einfach auf, was Du zu wissen glaubst und erfährst, dass Dein Leiden aufhört. 
  1. Ist es wahr? 

  2.  

     

  3. Kann ich wirklich wissen, dass das wahr ist? Zusatzfrage: In wessen Angelegenheit befinde ich mich? 

  4.  

     

  5. Was habe ich davon, an dieser Meinung festzuhalten? (Wie behandle ich den Anderen, wenn ich diese Meinung habe?) 

  6.  

     

  7. Wer wäre ich ohne diesen Glauben? (Wie ginge es mir, wenn ich diese Überzeugung nicht hätte?) 
Diese Arbeit ist Meditation. Komm zurück auf Deine anfänglich aufgeschriebenen Behauptungen (1-5); nimm dir immer nur einen Satz vor. Lass den Verstand die Frage stellen - und dein Herz antworten. 
Beispiel: Ich bin böse auf Paul, weil er mir nicht zuhört. 
  1. Ist es wahr? (Sei ganz still, warte, lass dein Herz antworten.) 

  2.  

     

  3. Kann ich wirklich wissen, ob er zuhört oder nicht? 

  4.  

     

  5. Was bringt es mir, bei dieser Überzeugung zu bleiben? Wie fühle ich mich, wie lebe ich damit? 

  6.  

     

  7. Wer (oder was) wäre ich ohne diesen Glauben? Wie ginge es mir ohne diese Überzeugung? 
Stelle dir nun vor, du würdest demjenigen gegenüberstehen, den du als Deinen Feind siehst, weil er dir nicht zuhört.


Jetzt kommt das große Auflösen: Stelle dir vor, du schaust ihn an, ohne deine Überzeugung zu haben, er sollte dir zuhören. Sei ganz ruhig. Was siehst du? Solange du ihn nicht als Deinen geliebten Freund sehen kannst, auch wenn er dir nicht zuhört, ist deine Arbeit nicht getan. 

Die Umkehrung

Ich mag Paul nicht ...... wird umgekehrt in: Ich mag mich nicht ......
Er will ...... wird umgekehrt in: Ich will ......
Er sollte ...... wird umgekehrt in: Ich sollte ......
Er ist ...... wird umgekehrt in: ich bin ......

Wenn du über dich selbst geschrieben hast, setze ein "Mein Denken" anstelle von "Ich". 

Es kann sein, dass du manchmal mehr als eine Umkehrung findest, und jede einzelne ist wahr oder sogar stimmiger, als das, was du ursprünglich geschrieben hast - besonders, wenn Du aufrichtig genug bist, gedanklich bei dem zu bleiben, was ausschließlich dich angeht. Das ist Selbst-Liebe! Berichtige nun deine Meinung über dich selbst und anschließend dein Urteil über Deinen Nächsten. Korrigiere das, wofür Du ihn beschuldigt hast und versucht hast, ihn zu ändern. Achte genau darauf, wie Du jedes Mal dann anfängst, ärgerlich zu werden oder in Stress zu geraten, wenn du meinst zu wissen, was der andere dringend tun sollte. 

Jedes Mal, wenn du denkst, du willst diesen Ärger und diesen Stress nicht noch mal erleben, (Nr. 6 in "The Work") sei bereit dazu, ihn wieder zu erleben. Ja, freue Dich sogar darauf - denn du erfährst etwas über dich selbst. Halte inne, gehe sanft mit Dir selbst um - und mache dann die Arbeit ("The Work") wieder. Zum Beispiel: Eine Erklärung wie: "Nie wieder will ich Paul vertrauen" wird umgekehrt in: "Ich bin bereit, Paul wieder zu vertrauen." Und dann in: "Ich freue mich darauf, Paul wieder zu vertrauen."