Es gibt
eine große Anzahl von überraschenden
Ähnlichkeiten in den Lebensweisen von Wolf und Mensch, die einem
beim
ersten, und wohl auch beim zweiten Hinsehen zuerst gar nicht auffallen.
Der Wolf ist eines der erfolgreichsten Raubtiere der Welt, und hat sich
in
zahlreichen Unterarten den verschiedensten Lebensräumen und Beutearten
angepasst. Wölfe leben in den äußersten Regionen der Arktis,
aber auch in
Mexiko, Indien oder Israel. Die mögliche "Bandbreite" der potentiellen
Beutetiere reicht von Mäusen über Vögel, sogar Fische,
Hirsche, Elche, bis
zu Moschusochsen und Bisons.
Nur
ein Lebewesen konnte den Wolf in Sachen Anpassungsfähigkeit und
"Bandbreite" der potentiellen Beute noch übertreffen:
Der
Homo sapiens.
Auch unsere eigene Art hat sich in den Hunderttausenden oder gar
Jahrmillionen von Jahren ihrer Entwicklung in einer großen Anzahl
von
"Unterarten" an die verschiedensten Lebensräume anpassen können.
Die Beutearten, die der Mensch im Laufe seiner Entwicklung jagte, reichen
ebenfalls von Insekten, über kleine Nagetiere, Eichhörnchen,
Vögeln,
Fische, Hasen, Hirsche, Pferde, Bisons bist hin zum Mammut, das im
Urzeitmenschen seinen wohl einzigen natürlichen Feind hatte.
Wie
der Wolf nicht auf einen bestimmten Lebensraum oder Beutearten spezialisiert
ist,
ist auch der Mensch spezialisiert auf das "nicht-spezialisiert-sein".
Unsere moderne Zivilisation mit Ackerbau, Viehzucht, Dörfern und
Städten
ist erst 10.000 bis 14.000 Jahre alt. Die restlichen 95% seiner Existenz
lebte der Mensch in der freien Natur und mußte dort wie jedes andere
Lebewesen um sein tägliches Überleben kämpfen.
Übrigens
stammt der Mensch nicht vom Affen ab! Hier wurde und wird Darwin bis heute
mißverstanden.
Mensch
und Affe hatten einen gemeinsame Vorfahren, aus denen sich beide
Arten unabhängig voneinander entwickelten.
Im
Verlauf seiner Entwicklung formte die Natur den Menschen zu einem
"Raubaffen" (Desmond Morris), dessen "Überlebenstrumpf" in einem
großen,
leistungsfähigen Gehirn in Verbindung mit einer hochentwickelten
Hand
bestand. Wie bei jedem Lebewesen ist auch das nur eine Anpassung an sich
verändernde Lebensbedingungen. Statt den Gebrauch "eingebauter" Waffen
wie
Zähne und Klauen wurde beim Menschen nur der Gebrauch und die Herstellung
"externer", selbstgefertigter Waffen weiterentwickelt.
Der
Gebrauch von künstlichen Waffen ist im Tierreich viel weiter verbreitet,
als bislang angenommen wurde. Und auch auch die Menschliche Bewaffnung
ist nach neusten Erkenntnissen viel älter, als bislang geglaubt wurde.
Vor kurzem erst wurden Speere des Homo erectus gefunden. Sorgfältig
hergestellt und gewichtsmäßig im vorderen Drittel ausbalanciert.
Jagdwaffen von geradezu mörderischer Präzision und Schönheit...
Alter: ca. 500.000 Jahre!
Unsere
angeblich so primitiven Vorfahren hatten wesentlich mehr "auf dem Kasten"
als allgemein geglaubt wurde.
Aber
nicht nur die Bewaffnung mußte beim Menschen entwickelt werden. Auch
seine Sozialstruktur und Lebensweise änderte sich, als er zum Jäger
wurde.
Die Jagd auf wehrhaftes Großwild mußte organisiert und planvoll
ausgeführt
werden und. dafür war eine komplexe Kommunikationsstruktur und eine
feste
Rangfolge in der Gemeinschaft notwendig. Auch Schimpansen und Paviane
jagen hin und wieder kleineres Wild (auch mit Hilfe von Waffen, wie
Knüppeln, Steinen usw.), aber der Mensch ist die einzige Primatenart,
die
Beute jagt, die wesentlich größer ist als er selbst.
Die
Familienstruktur wurde zu einem festen Band, in der jeder seinen Rang
und seine Aufgabe hatte. Die lange Entwicklung der Jungen erforderte die
Hilfe aller Stammesmitglieder. Das Jagdrevier mußte Markiert und
gegen
Eindringlinge verteidigt werden. Beim Menschen geschieht das natürlich
Optisch. Beim Wolf durch Geruchsmarken. Die Lebensweise eines
Steinzeitstammes und eines Wolfsrudels ist in vielen Einzelheiten sehr
ähnlich:
Wolf
und Mensch sind Rudeljäger auf Großwild
Wolf und Mensch jagen planvoll und gut organisiert
Wolf und Mensch erlegen im Team Beute, die wesentlich größer
ist, als sie selbst
Wolf und Mensch leben in einem festen Familienverband
Bei Wolf und Mensch gibt es eine soziale Rangfolge
Bei Wolf und Mensch gibt es eine große Anzahl von Aggressions- und
Unterwürfigkeitsgesten
Bei Wolf und Mensch kann es zu Rangstreitigkeiten kommen
Bei Wolf und Mensch kümmern sich alle Rudelmitglieder um die Aufzucht
der Jungen
Wolf und Mensch haben eine komplexe Laut- und Körpersprache
Wolf und Mensch markieren ihre Reviere (Geruchlich/Optisch)
Wolf und Mensch verteidigen ihrer Reviere gegen Eindringlinge
Verhaltensforscher
wie z.B. Desmond Morris haben auch herausgefunden, daß
unsere natürlichen Verhaltensweisen bis heute, oft nur versteckt,
in uns
weiterleben:
Was
ist ein Betonpfahl mit Staatswappen an einer Landesgrenze nicht
anderes als der Hinweis "Halt! Hier Reviergrenze!"
Wodurch
unterscheidet sich die stolz hochgetragene Rute eines Alphawolfs
von den stolz zur Schau gestellten Schulterstücken und Goldlitzen
eines
Militärgenerals?
Warum
machen wir uns klein," ziehen den Schwanz ein", senken den Kopf und
nehmen allgemein eine unterwürfige Haltung ein, wenn unser Firmenboss
uns
eine "Standpauke" hält?
Warum
wirkt die unterwürfige Haltung eines anderen (unter normalen
Umständen) auf uns Aggressionshemmend?
Warum
werden wir wütend und Aggressiv, wenn ungebetene Gäste unser
Grundstück (Revier) betreten?
Warum
sind Onkel, Tanten, Verwandte, Opas, Omas usw. von Nachwuchs in der
Familie immer so begeistert, geben tausend gute Ratschläge zur "Aufzucht"
und wollen am liebsten selbst mithelfen?
Warum
gibt es in unseren Firmen Bosse (Alpha), Abteilungsleiter (Beta),
Sachbearbeiter (Unterwürfig) und manchmal auch einen "Firmendeppen"
zum
mobben (Omega)?
Wo
kanalisiert sich unser natürlicher Jagdtrieb? In Sport und Spiel.
Viele
Spiele (und erst recht fast alle heutigen Computerspiele) drehen sich ums
Jagen, Gefahren meistern, Aufgaben lösen. (Das Wort "Game" bedeutet
im
Englischen übrigens nicht nur "Spiel", sondern auch "jagdbares Wild"!).
(Inhaltlich aus: "Der nackte Affe" von Desmond Morris).
Wahrscheinlich
sind es diese großen Übereinstimmungen der Lebensweisen,
die es erst möglich gemacht haben, daß sich Wolf und Mensch
irgendwann vor
undenklichen Zeiten zusammengetan haben, und im Laufe von Jahrtausenden
aus Canis lupus schließlich Canis lupus familiaris wurde; unser
heutiger
Hund. Wann und wie genau dieses Zusammentreffen stattfand, wird wohl auf
ewig im Dunkel der Geschichte verborgen bleiben. Jedenfalls profitierten
beide Parteien von dieser "Konföderation".
Die
Menschen nutzten die feinen Sinne des Wolfs zum aufstöbern von Wild
und als "Frühwarnsystem" vor Gefahren. Die Wölfe hingegen profitierten
von den ausgeklügelten
und erfolgreichen Jagdtechniken der Menschen.
Eigentlich
wissen wir erstaunlich wenig über diese bewundernswerten Tiere...
Von
Geburt an zeigen sie eine individuelle Persönlichkeit und bestimmte
Vorlieben. Die ausdauernden Tiere nehmen keine Rücksicht auf menschliche
Ängste oder Grenzen - sie wandern da hin, wo es etwas zu fressen
gibt.
Wölfe müssen zäh sein. Sie leben nicht nur an den unwirklichsten
Orten der
Erde, sie müssen auch die Nachstellungen des gefährlichsten
Wesens dieses
Planeten überstehen - des Menschen.
1.
Heulen
Am
bekanntesten ist das Heulen. Wenn mehrere Wölfe heulen, harmonisieren
sie den Klang, so daß der Eindruck erweckt wird, als ob viel mehr
Wölfe am
Geheul teilnehmen, wie es wirklich sind. Wölfe können auch im
Sitzen oder
im Liegen heulen. Offensichtlich dient das Wolfsgeheul dem Rudel, vor
allem vor und nach der Jagd, als Rufzeichen, sich zu versammeln. Ferner
wird es im Umfeld der Höhle als Alarmzeichen benutzt, außerdem
als Signal
in einem Schneesturm und während des Aufenthalts in Fremdgebieten
oder
einfach als Kontaktruf über größere Entfernungen. Es gibt
keinerlei
Anhaltspunkte dafür, daß Wölfe den Mond anheulen oder
bei Vollmond mehr
heulen als sonst.
Wolfsrudel
beim Heulen.
Das
Heulen dient verschiedenen Zwecken.
Häufig scheinen Wölfe aber auch nur aus "Spaß an der Sache"
zu heulen.
Besonders vor und nach der Jagd. Offensichtlich dient das Heulen auch
dem
Zusammenhalt des Rudels und der "akustischen" Reviermarkierung um anderen
Wölfen mitzuteilen: "Halt! Hier ist unser Revier!"
(Auch
unsere Hunde, die ja vom Wolf abstammen, können lange und ausdauernd
Heulen. In meiner Nachbarschaft wurde vor einigen Jahren ein Schäferhund
gehalten. Alleine im Zwinger, vernachlässigt und einsam fing er jedesmal,
wenn die Feuerwehrsirenen losheulten, an zu "Antworten". Oft noch 10
Minuten nach dem Verstummen der Sirenen heulte das arme Tier weiter und
wartete verzweifelt auf eine Antwort des "Rudels").
2.
Bellen
Wölfe
bellen kaum. Wenn sie bellen, so sind nur leise Wuff-Töne
vernehmbar, wogegen ein Hund laut kläfft. Ein Hund bellt andauernd.
Wölfe geben nur kurze, leise ausgestoßene Wuffs von sich, zum
Beispiel, wenn ein
Fremder sich der Höhle nähert. Das Bellen dient in diesem Fall
als
Hilferuf, um das Rudel im Revier über die Gefahr bei der Höhle
zu
unterrichten. Allerdings können Wölfe, die zusammen mit Hunden
aufgewachsen sind, durchaus häufiger Bellen und weit weniger Heulen
als
ihre wilden Verwandten.
3.
Knurren
Das
Knurren ist häufig bei der Futteraufnahme und den dabei vorkommenden
Streitereien zu hören. Es dient der Selbstbehauptung innerhalb der
Gemeinschaft, und ist, wie das Bellen, eine Drohgebärde. Es wird
aber eher
von den spielenden Welpen gebraucht. Sie knurren, wenn sie an der
Halskrause eines liegenden Wolfs zerren, und versuchen sogar manchmal,
mit
ihrem Knurren einem erwachsenen Wolf das Fressen streitig zu machen. Eine
besondere Art des Knurrens fängt mit einem hohen Jaulen an und endet
meist
mit einem Sprung nach vorn. Es wird eingesetzt, wenn ein Wolf nach einem
anderen schnappt.
Verhaltenswissenschaftler
haben vor allem das Jaulen und die gemeinschaftlichen
Winseltöne der Wölfe als interessante Forschungsgebiete entdeckt.
Bei ihrer Forschungsarbeit stellten sie fest, daß diese Laute von
den Wölfen
eingesetzt werden, um Vertrautheit und Intimität auszudrücken,
zum Beispiel beim Grüßen, Füttern, Spielen oder in ähnlichen
Situationen.
Wölfe:
erschossen - in Fallen gefangen - vergiftet - vom Menschen gejagt
Doch immer wieder sind die anpassungsfähigen Jäger für eine
Überraschung gut. Es ist schon traurige Ironie, dass Wölfe
uns jahrhundertlang verhasst waren und ihr Abkömmling, der Hund
unser treuester Begleiter wurde.
Dabei sind seine geschätzten Eigenschaften: Aufmerksamkeit, Intelligenz,
Anhänglichkeit direktes Erbe seiner wilden Vorfahren.
Auch wenn wir in den wilden Rudeltieren so manche Ähnlichkeit
mit uns selbst zu erkennen meinen, bleiben sie uns doch wesensfremd...