In unserer
Gesellschaft, in der wir eine zunehmende Vermischung der Kulturen
feststellen können, ergab sich in neuerer Zeit eine parallel laufende
Vermischung der Rauschmittel.
Canabis, Opium, Kokain oder Mescalin werden heute in den Kreisen jugendlicher
Rauschmittelabhängiger ganz selbstverständlich neben unserer eigenen
,,Kulturdroge" Alkohol verwendet.
Der Alkoholkonsum
in unserer Gesellschaft nimmt bei verschiedenen Gruppen verschiedene Formen
an.
In der Oberschicht
sind gesellschaftliche Rituale feststellbar (Cocktailparties, politische
Empfänge), die ohne Alkohol gar nicht denkbar sind.
In der Unterschicht
sind es eher die Lokale, in denen Rauschexzesse stattfinden.
Beiden Schichten gemeinsam
ist, daß sie ihren Alkoholkonsum überwiegend in Gesellschaft
vollziehen.
Bei einer Gruppierung
in Männer, Frauen, Jugendlichen-Alkoholismus wird aber
schnell ein anderes Bild sichtbar:
Der Alkoholkonsum
ist nur insofern gesellschaftsgebunden, als die Menschen,
die Alkohol trinken, schon irgendwie in der Gesellschaft tätig sind.
Hausfrauen, isolierte Jugendliche, kontaktschwache Menschen schlechthin
trinken auch alleine.
Im Grunde aber ist
jede Form von Rauschmittelmißbrauch verbunden mit einer tiefen Sehnsucht
nach sozialem Eingebundensein.
Die Sucht ist ein
historisches Phänomen und hat einen politischen Hintergrund.
Ende des 19. Jahrhunderts
war der Elendsalkoholismus eines der brennendsten
gesellschaftlichen Probleme. In den 50-er Jahren unseres Jahrhunderts
sprach man vom Wohlstandsalkoholismus; heute können wir von einem
allgemeinen Alkoholismus sprechen.
Der Beginn des Drogenmißbrauchs
in größerem Stil läßt sich auf das Ende der
Jugend und Studentenrevolte im Sommer 1969 festlegen.
Der politische Protest
der Jugend schlug um:
Aus der politischen Aktion wurde die "Reise nach innen".
Die zunehmende Kriminalisierung
der jugendlichen Rauschmittelkonsumenten bewirkte ein Doppeltes: Der harte
Kern der jugendlichen Gefährdeten glich sich der kriminellen Umgebung
an, die schwankende Umgebung des harten Kerns wechselte zurück zur
Staatsdroge Alkohol.
Der Suchtkranke befindet
sich in einem Widerstreit zwischen Sehnsucht nach sozialer Anerkennung
und Ächtung durch eben diese Gesellschaft.
Mit einem Bild aus der Bibel: "Der Suchtkranke ist der Aussätzige
unserer Tage".
Alkohol zu konsumieren
ist heute allgemeine Gewohnheit, Attitüde geworden.
Wer nicht mittrinkt, schließt sich aus.
Wer bei diesem Spiel
mit dem Feuer selbst anfängt zu brennen (Kontrollverlust),
wird verachtet. D. h., die Gesellschaft verdrängt ihr Schuldbewußtsein
und projiziert ihr schlechtes Gewissen auf den Suchtkranken:
Dieser soll nun willensschwach,
hemmungslos, asozial sein.
Die Nicht-Suchtkranken
behalten ihre ,,weiße Weste".
Es wird klar, daß
ein Großteil der Ursachen des Alkoholismus in den Strukturen
unserer Gesellschaft liegt.
Wo das Wissen um einen Sinn des Zusammenlebens verlorengegangen ist, wo
das Weltbild und die Weltanschauung ohne das auszukommen hat, ,,was die
Welt im Innersten zusammenhält", bietet sich der Rausch an als
"Alleskleber".
Sozial gesehen ist
die Suchtkrankheit also eine ,,Beziehungskrankheit", d. h.
der Suchtkranke ist in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen ernsthaft
gefährdet.
Eine sinnvolle Suchttherapie
kann deshalb als Ziel gar nie die bloße Abstinenz haben.
Ziel ist vielmehr
der ,,heile Mensch", der in wirklichen Beziehungen den Sinn seines
Daseins erleben kann.
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