Der durchbohrte Schild
Einen Augenblick lang bin
ich innerlich ruhig und glücklich, ich habe abgelassen von meiner
Sehnsucht und meiner Angst.
Ich bin in Frieden und Harmonie
mit mir.
Wirklich?
Verbrannte ich mich nicht
innerlich?
Zerbrach ich nicht fast
an mir?
Konnte ich diese zersetzenden
Gedanken in meinem Kopf,
die mich wieder in den Abgrund
treiben wollten, aufhalten?
Was treibt mich zu dieser
Selbstverachtung, zu dieser Selbstzerstörung?
Warum rennt dieser Lemming
in mir als erster zur Schlucht und will mich mitreißen?
Warum finde ich keine Ruhe?
In letzter Zeit bin ich
ständig unterwegs gewesen, als müßte ich irgend etwas werden,
als müßte ich mich noch einmal gebären.
Ja, ich bin immer noch damit
beschäftigt, vollkommen zu werden.
Wenn es mir nicht gelingt,
werde ich wohl immer dieses Gefühl der Sehnsucht spüren, und
ich werde mit diesem Sehnen und der Traurigkeit und dem Gefühl, etwas
versäumt zu haben, auch sterben.
Ich verliere meine Mitte
und vergesse,
was ich tue und warum ich
es tue.
Da ist immer das Gefühl
der Sehnsucht, daß Gefühl der inneren Dürre, dem Hunger,
da ist immer noch das Gefühl der Bitterkeit, der Verbitterung, des
Elends und das Brennen der ungeweinten Tränen in den Augen und das
Leid das Leiden, scheinbar geboren in den dunklen Nächten der ungelebten
Träume. Hinter meinem seelischen Leiden kann ich mich sehr gut verstecken;
es ist wie eine Maske. Mein Leiden wird zur Besessenheit, mit der ich mich
durch das ganze Leben quälen kann. Es wird mir zur Aufgabe gemacht,
es dann auch zu leben.
Indem
ich mich über das Leiden und die Schmerzen spüre, hänge
ich mir einen dicken Mantel um, damit meine tiefe Oberflächlichkeit
nicht erkennbar ist.
Und eine Maske trage ich,
auch eine dunkle, nach innen versiegelte Brille, um durch viele Tränen
keinen Ausweg mehr zu sehen und, um den Zorn und die Wut nicht wahrzunehmen
oder sogar zuzulassen, den Haß und die Verbitterung erkennen zu müssen,
und auch meine gekränkte, jammernde Seele, meine verkümmerte,
verhungerte Seele zu fühlen.Meinen armseligen Stolz wahrnehmen zu
müssen,
der sich von meiner energievollen
Kraftlosigkeit auch noch ernährt, meinem unterdrückten, verkrüppelten,
und so bedeutungslos gewordenen Wesen muß auch noch Gehör gegeben
werden... Das ist unerträglich geworden!
Und ich maskiere mich, weil
ich es nicht ertragen kann, daß meine Definition meines Lebens der
Schmerz ist...
Welch eine Macht kann ich
dem Leiden geben, welch eine Ohnmacht ist dann in mir...
Wenn
ich mein ganzes Leben lang nur mit dem Werden und dem Leiden
und der daraus entstehenden
Ohnmacht beschäftigt bin und dann plötzlich nichts mehr übrigbleibt,
was ich noch Werden kann, packt mich das kalte Entsetzen. Denn mit dem
Werden zu dem was ich bin, habe ich mich ja vom eigentlichen Leben abgelenkt
und sehe mich auf einmal meiner eigenen Machtlosigkeit gegenüber.
Ich stelle mir jetzt vor,
ich setze mich an einen festlich gedeckten Tisch, und plötzlich merke
ich, daß es sich um mein Totenmahl handelt. Und ich bin der einzige
Gast.
Ich will weg, doch wo soll
ich hin?
Es gibt zwei Arten von Tod.
Den freundlichen Tod und den plötzlichen Tod.
Beim freundlichen Tod kommt
der Tod auf mich zu und begrüßt mich. Ich grüße ebenfalls,
und vielleicht rauchen wir zusammen noch eine Zigarette oder reden über
das Wetter oder über seine Hilfe beim Übertritt in die andere
Dimension.
Vielleicht ist er auch der
Fährmann in dem kleinen Boot, das mich trockenen Fußes über
den Fluß bringt an das andere Ufer, vielleicht holt mich auch die
Göttin ab, wenn er mich freundlich, aber bestimmt begleitet.
Es ist so, als würde
ich einen alten Freund wiedersehen, einen Freund mit großer Macht
und von tiefer Weisheit.
Wir haben schon oft miteinander
gesprochen und ich habe keine Angst vor ihm, denn ich weiß genau,
daß er die Tür öffnen und schließen kann.
Das kann sonst niemand in
dieser Situation. Ich gehe friedlich und ruhig mit ihm hinaus, und er schließt
die Tür hinter mir, die von nun an für immer verschlossen bleibt.
Der plötzliche Tod schleicht
sich aber lautlos heran.
Er springt auf mich zu und
drängt mich unversehens zur Tür hinaus und schleudert mich in
die reißenden Fluten des Flusses und ich muß richtig kämpfen
und schreien um das andere Ufer zu erreichen, denn da steht eine Frau im
hellen Licht und ich muß doch auf mich aufmerksam machen, damit sie
sich nicht abwendet und mich alleine läßt in dem Fluß,
der mich dorthin treibt, wo meine Qualen und Leiden herkommen...
Der plötzliche Tod
ist ein guter Zuschauer.
Er kennt meine Schwächen
und gibt mir keine Gelegenheit mehr irgend etwas in Ordnung zu bringen.
Warum sollte er auch? Ich hatte ja vorher ausreichend Zeit. Er ist gnadenlos
und unbarmherzig, so wie ich es mein Leben lang mit mir war...
In seinen Gesichtszügen
finde ich keine Harmonie.
Er gibt mir keine Kraft,
keine Zeit mehr, irgend etwas zu verändern, was ich doch immer verändern
wollte.
Er wird über meine
Tränen und Trauer lachen und meine verzweifelten Versuche in Frieden
und Harmonie und auch Gelassenheit zu gehen, mit einem hämischen Grinsen
vereiteln.
Er wird das tun, was ich
ihm als Zuschauer meines Lebens angeboten habe. Er paßt genau den
Moment ab, in dem ich wehrlos bin. Er zeigt sich unerwartet.
Und dann läßt
er mich vor verschlossener Tür stehen, und ich kann noch so sehr dagegenpoltern,
ich werde nie mehr hineingelassen...
Ich kenne meine Beharrlichkeit
und Ausdauer und weiß auch, daß der Tod im Gesicht geschrieben
steht, wenn es mir im Auf und Ab des Lebens an Ausdauer mangelt.
Die Unbeirrbarkeit, mit
der ich meinen Lebenstraum verfolge, ist eine besondere Art von Ausdauer.
Zuerst mußte ich meinen Traum klären. Ich lebe noch nicht richtig.
Ich kann entscheiden.
Ich habe das Vertrauen,
daß alles einen Sinn hat.
Ich habe schon meine Kraft
gespürt.
Ich habe mich schon öfters
als Kriegerin gefühlt.
Ich weiß um die Macht
der Göttin.
Ich bete um Balance unter
ihrem Einfluß um Bewußtsein
und Weisheit. Ich gehe jetzt
einen anderen Weg der erfolgversprechender ist. Was sollte mir denn passieren,
bin ich doch im Elend und dem Leiden gewesen?
Die Orte der Dunkelheit kenne
ich nicht die des Lichtes. Ich lasse los. Loslassen bedeutet Freiheit
und Unabhängigkeit. Braucht eine Kriegerin nicht stets eine Herausforderung?
(Diese Frage klingt noch etwas schüchtern und leise in mir) Kann ich
etwa meine Grenzen nicht einfach überspringen, wo mir die Begrenztheit
doch so vertraut ist?
Wie
kommt es, daß mich jemand beleidigen kann?
Was passiert mit meiner
Selbstachtung?
Worauf war ich eigentlich
stolz?
Auf meine Fähigkeit,
leiden zu können, zu klagen anzuklagen?
Verglichen mit der Größe
des Himmels bin ich unbedeutend...
Die Reise des Wissens ist
zuweilen schmerzhaft.
Der Weg ist voll spitzer
Steine, an denen ich blutige Füße bekomme. Aber noch hat sich
die Frau im Licht nicht abgewendet, und ich komme ihr immer näher
und sehe auch schon ihre ausgestreckte Hand.
Sie steht kriegerisch dort
am Strand, breitbeinig und sicher, mit im Wind wehendem Haar. Sie kommt
mit ruhigen Schritten auf mich zu, und ich gehe ihr ebenfalls entgegen.
Wir stehen uns nun gegenüber. Diese Frau trägt einen angenehmen
Geruch, wie von Erde, Wasser, Moos, Holz und der Sehnsucht. Sie gibt mir
ihre Waffe mit der Bemerkung, daß ich sie nicht brauchen werde. Ich
fühlte mich in ihrer Gegenwart selbstsicherer, gelassener, mutiger,
natürlicher und gestärkter... Ich bin in meiner Unsicherheit
oft höhnisch, zynisch und bitter, verletzend und hart, das sind mir
so vertraute Gefühle schaffen sie mir doch Raum in meiner Isolation
die ich mir selbst geschaffen habe.
Breitbeinig wie die Amazone
in meinem Traum stehe ich im Wind, vor mir die See, die Sonne geht auf,
die Mondin wird blasser im Licht der aufgehenden Sonne, von der sie sich
ihr Licht holt.
Die Mondin bleibt für
mich auch im grellsten Sonnenlicht sichtbar und ich nehme ihre liebevolle
Begleitung zu jeder Gelegenheit wahr.
Ich stehe dort mit ausgestreckten
Armen und löse mich.
Etwas Schweres, meine
Seele Bedrückendes löst sich in mir.
Ich werde freier mutiger
kräftiger,
und die Müdigkeit scheint
sich in Energie zu verwandeln,
und aus der dunklen Tiefe
meines Wesens bahnt sich ein Schrei.
Die Tür ist aufgestoßen
worden ich gehe nicht wieder zurück!
Nie wieder werde ich gebeugt
und kniend beten, mit gesenktem Kopf ein Gespräch führen.
Ich werde weinen, lachen
lernen, ich werde mich entkrampfen,
ich werde all das tun was
man mir verboten hat weil es sich nicht schickt, weil man so etwas nicht
tut.
Ich werde mich nie wieder
aus Höflichkeit entschuldigen,ich erkläre nichts mehr und nehme
nichts zurück.
Aufmüpfig werde ich
mit meinen Worten sprechen meine Gedanken denken, nichts mehr verstecken,
nicht mehr kuschen, nicht mehr geschlagen geben, nicht mehr blind vor Tränen
die Augen schließen.
Ich stelle mich dem Leben,
der Herausforderung! Immer noch stehe ich am Wasser und der Schiefer, auf
den ich meine Worte der Befreiung schrieb, ist sicher längst unauffindbar
und das ist gut so. Der Wind ist längst nicht mehr so stark, er trägt
nicht mehr die Töne der Nacht.
Die Natur erwacht. Er wird
warm und trägt meine Worte hinaus ins Unendliche und ich weiß,
daß sie gehört werden...Vögel über mir fliegen in
den immer heller werdenden Himmel, piepsen, zwitschern und scheinen zu
jubilieren sie begrüßen den Tag sie begrüßen
mich....
Die Vögel, sie schenken
mir Federn, das Meer schenkt mir das Gefühl von Freiheit, die Sonne
durchwärmt mich, die Luft lädt mich zum Durchatmen ein, und ich
atme tief und wieder aus ein und aus mit jedem Atemzug gesunde ich.
Der Himmel über mir
verwandelt in eine klare, zarte, blaue und grenzenlose Insel der Zufriedenheit,
der Gelassenheit und der Zuversicht.
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