will
die Pfote auf unseren Schatten legen, um zu bezeugen, daß wir zu ihr
gehören. Die
Wilde Frau will unseren Schatten verschlucken, ihn sich vollends einverleiben,
damit wir endlich zu uns selbst gehören können, zu uns selbst und
unserem instinktiven Erbe. Die
meisten Frauen fürchten sich nicht vor dieser Vereinigung, im Gegenteil,
wenn sie könnten, würden sie in diesem Augenblick in den Schoß
der Wilden Frau springen und glücklich aufseufzend mit allem, was darin
sein mag, verschmelzen.
Man
muß ihnen tatsächlich nur die Richtung zeigen, nach innen und nach
unten weisen, in die Tiefen der eigenen Arbeit, die Tiefe des eigenen Innenlebens,
zum Tunnel und zum klaren Licht an seinem Endpunkt. Von Kindheit an sind wir von wilden Urahnungen verfolgt worden. Immer wieder haben wir eine vage Präsenz gespürt und manchmal
einen jähen Geistesblitz.
Wir
haben Fußspuren in spiegelblanken Tränen gesehen, Spuren in Träumen
entdeckt, in den unverständlichsten Regungen der Seele. In der eigenen
Psyche haben wir einen vertrauten Atemzug gespürt, vielleicht auch ein
undeutliches Grollen, ein unhörbares Rufen. Wir wußten, daß
uns etwas Wichtiges, unsere ganze Welt Bewegendes mitgeteilt wurde. Wir
konnten uns entziehen - und doch nie ganz. Etwas Leises in uns begann die
Bewegungen der Wilden Freiheit zu beschatten, und sie erwiderte die Gunst.
Sie heulte auf, und wir wollten antworten, auch ohne die Sprache zu kennen,
auch ohne zu wissen, wem oder was wir in der längsten Seelennacht antworten
mußten. Aber sie, die Wilde Freiheit, blieb stehen und wartete. Sie
wartet ein Leben lang auf uns. Das ist das Wunder. Trotz aller Traumverlorenheit wissen wir etwas Urinstinktives. Trotz aller Blindheit sehen wir etwas, das vor dem Ego existiert hat und
nach dem Ego existieren wird, das in diesem Augenblick hinter dem Ego steht
und ihm die Kraft gibt, zu existieren.
In unseren
Träumen kompensieren wir das Verlorene und lassen uns von Dingen beschatten,
die in der Zukunft liegen. Das Unbewußte gibt uns Bilder ein, Bilder vom Archetypus der Wilden
Frau, Bilder von der Vereinigung mit dem verlorenen Kontinent, der unsere
zukünftige Heimat ist. Aus diesem vorgeahnten Traumland stehen wir morgens
auf und haben die Kraft, uns vor den Computer zu setzen, vor den Kochtopf
zu stellen, an das Fenster, vor den Lehrer, die Schulklasse, den Kunden im
Geschäft. Wir hauchen der Geschäftswelt, der Politik, der Industrie,
unserer Kunst und allen Dingen den wilden Atem ein.
Das unverfälscht
Weibliche kann nicht nur in allen Welten aufrechterhalten werden, es ist das,
was alle Welten aufrechterhält.
Warum
es noch länger verleugnen? Wir schaffen ein Mutterland, wo wir auch hingehen;
jede einzelne Frau ist Muttererde, Nährboden, der, ausgehend von der
individuellen Frau, sich immer weiter ausbreitet. Eines
Tages wird man diesen Mutterboden als einen ungetrennten Kontinent begreifen,
Munda de la Madre, als die psychische Welt der Urmutter, die aus unseren Knochen,
unseren Taten, unserem bloßen Vorhandensein besteht und allen anderen
Welten ebenbürtig ist. Es ist eine Welt des gesunden, ungezähmten
Menschenverstands, in der sich das Leben lohnt. Wir
rufen den verlorenen Kontinent ins Leben zurück, mit unserem ganzen Dasein. Wenn
der Falkner den Schrei ausstößt, kehrt der entflogene Falke zu
ihm zurück; wenn wir unsere Intuition und unser Urwissen sprechen lassen,
kehrt die Wilde Freiheit zu uns zurück. Es
gibt keinen anderen Weg. Wenn sich irgend etwas Grundsätzliches verändern
soll, dann in uns und durch uns. Wir sind die Wissenden, lebende Ausdrucksformen
von La Que Sabe. Sie
gibt uns die Worte ein, wir sprechen sie aus. Sie hat uns die letzten paar
Jahrtausende begleitet, ist immer wieder stehengeblieben, um auf uns zu warten,
und dann wieder ein Stück vorauszueilen. Sie möchte uns ihren Schatz
zeigen. Seid
ihr im Begriff, euch freizustrampeln, ein Risiko einzugehen und das künstlich
Aufgepfropfte hinter euch zu lassen? Gut. Grabt die tiefstmöglichen Knochen
aus, damit die Wolfsfrau weiß, daß ihr es ernst meint. Laßt
eure Intuition schnüffeln, haltet die Nasenspitzen in den Wind, um sie
am geeigneten Punkt tief in den Boden zu bohren und die Fetzen zur Seite fliegen
zu lassen. Um der wilden Wolfsfrau so nahe wie möglich zu kommen, müssen
wir das Rudel suchen, den Seelenverwandten nahe sein, ein paar Revolutionen
in der Nachbarschaft anzetteln, den Leuten fühlbare, greifbare Liebe
geben, auch Mitgefühl und Poesie und Fakten und Fabeln vom alten Wissen. Wir
können uns weigern, jetzt noch verschämt auf dem Bauche zu kriechen. Haben
wir nicht genug Kampfnarben davongetragen, um ein für allemal zu wissen,
daß wir jede Schmach und jede Schande überleben? Wir haben keine
Zeit mehr für den bitteren Zorn. Wir verwenden ihn als Kraftspender,
der auch die letzten Zäune noch rasch überspringen hilft, um in
das psychische Heimatland einzutauchen.
sind
unsere Losungsworte. Fort,
fort von dem, was uns gefangenhält, durch alle Illusionen hindurch und
darüber hinaus, ins Freie! Endlich! Was
wir heute tun, kommt unseren Töchtern und allen Töchtern dieser
Töchter zugute. Wir
hinterlassen Fußspuren, die immer in die eine Richtung zeigen. Wir
sind die Frauen, die voll Dankbarkeit auf den Schultern ihrer Mütter
stehen, und wir sind Schultern, auf denen unsere Töchter stehen, um noch
weiter, vielleicht bis ins Unermeßliche hineinzusehen. Es
gibt keine Verhaltensregeln für eine wildnatürliche, instinktbegabte,
intuitive Frau. Sie
weiß selbst am besten, was von Moment zu Moment angebracht ist. Aber
für alle, die jetzt auf dem Nachhauseweg sind, möchte ich einige
sehr weitgefaßte, anregende Hinweise geben. Am
besten fängt frau mit Regel Nummer 10 an, wenn frau gerade schwer zu
kämpfen hat.